Aktuelle Trends in den Österreichischen Stadtregionen: Arbeitsraum Stadtregion

Lena Rücker, am 11.12.2018


Die Lebens- und Bezugsräume vieler Menschen sind gemeinde-, landes- und staatsgrenzen-überschreitend. Stadtregionen sind Funktionsräume mit flexiblen Grenzen und passen (noch) nicht in die gewachsene politische und planerische Kultur Österreichs (Vgl. ÖROK 2015:5). Die österreichischen Stadtregionen werden in der aktuellen fachlichen Debatte intensiv diskutiert. Die ÖREK-Partnerschaft „Agenda Stadtregionen in Österreich“ (Projektarbeitsgruppe zur Umsetzung des Österreichischen Raumentwicklungskonzepts „ÖREK“ aus 2011) arbeitet, unterstützt durch zahlreiche ExpertInnen und KommunalvertreterInnen und unter Federführung des Österreichischen Städtebundes, eifrig an der Schaffung rechtlicher Grundlagen und einer praktikablen Agglomerationspolitik.

Die Stadtregionen, geteilt in vier verschiedene Kategorien; Wien als Metropolregion, Großstadtregionen, Mittelstadtregionen und Kleinstadtregionen, weisen hinsichtlich ihrer Funktionalität deutliche Ähnlichkeiten auf. Doch abgesehen von der unterschiedlichen räumlichen Einbettung herrschen auch in Bezug auf die jeweiligen Entwicklungstendenzen (und den Grad der Zentralisierung) große Unterschiede.

Arbeitsraum Stadtregion

Die Abgestimmte Erwerbsstatistik der Statistik Austria zeigt in den vergangenen Jahren einen starken Zuwachs in der Beschäftigungsentwicklung besonders in den Landeshauptstädten Österreichs. Zwischen 2011 und 2015 gab es in St. Pölten ein Beschäftigungswachstum von 8,3%, gefolgt von Eisenstadt mit 6,7 %, Innsbruck mit 4,9%, Graz und Salzburg mit jeweils 4,7 % und Wien mit 4,3% (KDZ, ÖStb 2017:30).

Folgend einem globalen Trend macht sich auch in Österreich die Tertiärisierung, der Strukturwandel in der Wirtschaft von Agrargesellschaft über Industriegesellschaft hin zur Dienstleistungsgesellschaft, bemerkbar. Die Ballungsräume fungieren als die wesentlichen Träger dieser Entwicklung. Österreichweit arbeiten rund 73% der Beschäftigten im Dienstleistungs- und Wissensbereich, in den Landeshauptstädten sind es deutlich mehr. So lag der Tertiärisierungsgrad im Jahr 2015 in Innsbruck bei 90,1 %, in Salzburg bei 89,7% und in Wien bei 88,1%. Der Anteil der Beschäftigten im sekundären Sektor lag folglich in den Städten überwiegend unter dem österreichweiten Durchschnitt. (KDZ, ÖStb 2017:31) (Publikation Österreichs Städte in Zahlen) Die Tertiärisierung der städtischen Wirtschaft bringt durch eine Verbesserung und stärkere Vernetzung der kleinräumigen Wirtschaftsstrukturen neben „einer Aufwertung der städtebaulichen Substanz“ der Zentren (Vgl. Giffinger et al. 2001:5) auch den Zuzug höherer Einkommensgruppen und besonders junger, qualifizierter Angestellter mit sich. Dies ist ein wesentlicher Faktor dafür, dass das Durchschnittsalter in den Kernzonen der Stadtregionen zuletzt deutlich weniger stark angestiegen ist, als in den Außenzonen und peripheren Regionen Österreichs.

In Zentralräumen konzentrieren sich also höherrangigere, Informations- und Kontaktintensive Tätigkeiten, geprägt durch stärkere Arbeitsteilung und umfassender sektorale Vernetzung. Die hohe räumliche Dichte der Kernzonen bringt daher insbesondere für den tertiären Sektor positive Effekte durch Synergien, Kostenersparnisse und Effizienzsteigerung. Diese sogenannten positiven „Agglomerationseffekte“ führen auch zu einer höheren Arbeitsproduktivität und damit größerem wirtschaftlichen Erfolg von Ballungsräumen. Ein Vergleich verschiedener Schweizer Agglomerationsräume in einer Studie aus dem Jahr 2017 zeigt: Menschen in größeren Agglomerationen sind produktiver als jene in kleineren Agglomerationen oder peripheren Gebieten, sie haben eine höhere Wertschöpfung und verdienen mehr (Marti et al 2017:18ff.).

PendlerInnen

Wie unter dem Reiter Wirtschaft zu erkennen ist, weisen die Kernzonen der Stadtregionen aufgrund ihrer hohen Arbeitsplatzdichte einen positiven und die Außenzonen einen negativen Pendlersaldo auf (mit Ausnahme von Voitsberg und Wörgl, wo der Pendlersaldo in beiden Zonen negativ ist). Tendenziell, wie unter dem Reiter Mobilität ersichtlich, sind die Anteile der PendlerInnen mit Arbeitsort in der Kernzone aus der Außenzone oder Umlandgemeinden und anderen Stadtregionen eher höher, als jene der PendlerInnen aus der Kernzone und umliegenden Gebieten, welche in die Außenzone pendeln. Dies lässt klar auf die Bedeutung der Kernzonen als Arbeitsstandort und deren großen Arbeitsmarkteinzugsbereich schließen.

Neben der generell hohen Arbeitsplatzdichte in den Kernzonen ist also der größere Einzugsbereich der Tätigkeitsfelder in den Zentren ein wesentlicher Faktor für ihre Zentralität. Eine Studie des AMS aus dem Jahr 2015 zeigt, dass ArbeitnehmerInnen und Angestellte in (größeren) Dienstleistungsbetrieben zu höheren Anteilen überregional pendeln und längere Strecken zum Arbeitszweck auf sich nehmen. Während sich große Dienstleistungsbetriebe oft in Städten oder ihrem unmittelbaren Umland befinden, sind Produktionsbetriebe hingegen ausgewogener im Raum verteilt. Im Burgenland und in Niederösterreich sind die Anteile der AuspendlerInnen im Dienstleistungssektor besonders hoch, was durch den überproportional großen Arbeitsmarkteinzugsbereich der Metropolregion Wien bedingt ist. (AMS 2015:4) Dies lässt sich auch anhand der Grafik zu den ErwerbspendlerInnen der Stadtregionen im Wiener Umland erkennen, sie weisen besonders viele AuspendlerInnen mit Zielort Wien auf.

Ein weiterer Aspekt, der sich durch das hohe PendlerInnenaufkommen sowie BesucherInnen diverser Freizeit-, Kultur- und Versorgungseinrichtungen in den Kernstädten ergibt, ist der große Unterschied zwischen der Tag- und Nachtbevölkerung in Stadtregionen. Im Zentrum als erwerbstätig gemeldete Personen sowie BesucherInnen mit Wohnort außerhalb der Kernzone oder gesamten Stadtregion zahlen oftmals keine Steuern in den Gemeinden der Kernzone und tragen damit nur in geringem bzw, unproportionalem Ausmaß (z.B. über Gebühren im Verkehr) zur Finanzierung der zentralörtlichen Infrastruktur bei. Dadurch ergeben sich zusätzliche finanzielle sowie funktionale Belastungen für die Zentren.